Die Armenisch-Apostolische Orthodoxe Kirche
Die christliche Gemeinschaft oder Institution, die in sich die christliche armenische Gemeinschaft vereint, wird „Armenische Kirche“ genannt. Alle Armenier, die im Taufbecken dieser Kirche getauft werden, werden als Kinder der Armenischen Kirche betrachtet.
Die Armenische Kirche, die untrennbarer Teil der universellen christlichen Kirche darstellt, ist eine religiöse Organisation mit einem nationalen Gepräge. Ihre Grundlage ist das religiöse Leben. Die grenzenlose und hingebungsvolle Liebe ist der Kern und die Nahrung dieses Lebens. Damit die Liebe ihr universelles und ewigliches Wesen behält, ist es aber unerlässlich, dass sie ihre Inspiration von einem erhabenen Ideal erhält. Dieses Ideal ist die Person Christi selbst. In der Person Christi sieht die Kirche die Offenbarung und Synthese von göttlichen Eigenschaften. Nie vor Christus ist das Konzept der Liebe mit dieser Schönheit und Tiefe ins Leben verwandelt worden. Jesus Christus ist die Verkörperung dieser Liebe.
Die Armenische Kirche ist und wird bleiben der Speicher der Frömmigkeit des Einzelnen und der Gesellschaft, folglich auch der Familie und des Volkes. Dies ist der Grund, warum die Armenische Kirche als universell und national bezeichnet wird. Diese zwei Begriffe ergänzen sich in harmonischer Weise und dies in einer bezeichnenden Logik - sie ist universell, denn sie ist christlich, sie ist national, denn sie ist armenisch. Ein christlicher Geist in armenischer Tracht.
In diesem Zusammenhang muss erklärt werden, dass die Nation (asgutyun) der Religion nicht ablehnend gegenübersteht. Es ist der Nationalismus (asgaynamolutyun) der den christlichen Glauben ablehnt - Nationalismus, welcher ausschließend ist; mit anderen Worten: der nichts anderes außer sich selbst anerkennt, der sich absolut setzt. Das nationale Gepräge unserer Kirche ist ein einzigartiges Merkmal, das nicht ignoriert werden darf. Dass wir in einer pluralistischen Gesellschaft leben, bedeutet noch lange nicht, dass das nationale Gepräge unserer Kirche unwichtig ist. Es zu ignorieren oder sich von ihm zu entfernen, würde unserer Kirche schaden.
Die offizielle Bezeichnung unserer Kirche ist: „Apostolische, Orthodoxe, Heilige Kirche der Armenier“ (arm. Hayastanyaytz Araqelakan Ughapar Surb Yekeghetzi). Aber sie ist allgemein bekannt unter dem Namen „Armenisch-Apostolische Kirche“ oder „Armenisch-Orthodoxe Kirche“. Manche Kirchen bezeichnen die Armenische Kirche auch als „Armenische Gregorianische Kirche“ (Armenisch: Hay Lusawortschakan Yekeghetzi) und bezwecken damit, den Ursprung der Armenischen Kirche nur auf den Hl. Gregor den Erleuchter zurückzuführen. Auch wenn wir die Person und das Wirken des Hl. Gregor als unseren Kirchenpatron und ersten Patriarchen ehren, können wir mit dieser Bezeichnung nicht einverstanden sein, da die ersten Erleuchter Armeniens sowie die Gründer der Armenischen Kirche die Aposteln Heiliger Thaddäus und Heiliger Bartholomäus sind. Durch Hl. Gregor den Erleuchter wurde nicht die Armenische Kirche gegründet, sondern das Christentum zur Staatsreligion Armeniens proklamiert. Somit wurde Armenien der erste Staat auf der Welt, in dem das Christentum zur Staatsreligion erhoben wurde.
Gregor der Erleuchter (arm. Grigor Lussavoritsch) wurde nach der Annahme des Christentums als Staatsreligion der erste Katholikos, d.h. das erste Oberhaupt der Armenischen Kirche. In einer visionären Ahnung soll er von Christus den Auftrag bekommen haben, in Wagharshapat, heute St. Etschmiadzin, die Mutterkirche der Armenier zu errichten.
Die offizielle Deklarierung des Christentums zur Staatsreligion in Armenien durch einen König bedeutete jedoch nicht, dass das Christentum nach dem Märtyrertod der Apostel aus Armenien wieder verschwand. Die Missionierung durch die Apostel wurde in den darauffolgenden zwei Jahrhunderten von anderen, die meist mit dem Leben dafür bezahlen mussten, fortgeführt. Zahlreiche armenische sowie fremdsprachliche Quellen vor 301 berichten über die Verbreitung und die tiefe Verwurzelung des Christentums in Armenien.
Zweifellos war die Übersetzung der Bibel ins Armenische der entscheidende praktische Schritt im Prozess der Bekehrung Armeniens zum Christentum. Die Voraussetzung zu diesem Schritt wurde erst im Jahre 406 mit der Entwicklung des armenischen Alphabets durch den Hl. Mesrop Maschtotz geschaffen. Die darauffolgende umfangreiche Übersetzungsbewegung, tatkräftig unterstützt von Katholikos Hl. Sahak Bartev und König Vramschapuh, brachte eine armenische Nationalliteratur hervor, die sich nicht nur auf die wichtigsten Werke der Kirchenväter beschränkte. Diese Zeit des kulturellen und geistigen Umbruchs in Armenien wird in der armenischen Geschichte als das „goldene Zeitalter“ bezeichnet.
Das 5. Jahrhundert war jedoch auch ein schicksalhaftes Jahrhundert. Die Armenier mussten die Tiefe ihres christlichen Glaubens unter Beweis stellen. Dies war nicht erstmalig und, wie uns die Geschichte zeigt, ist es auch nicht letztmalig gewesen. Der Feind war der Sassanidenkönig Yazkert II. (438-457), der neben seinen politischen Bestrebungen Armenien zum Mazdaismus bekehren wollte. Im Jahre 451 auf dem Schlachtfeld von Avarayr führte der armenische General (armenisch: Sparapet) Vardan Mamikonian (370-451) seine Armee gegen das weit überlegene Heer des persischen Königs (persisch: Schah). Der General und der größte Teil seiner Armee mussten ihr Leben um des Glaubens und der Heimat willen hingeben. Die Armenische Kirche gedenkt jedes Jahr diesem Ereignis mit einer großen Feier, welche „Surb Vardanank“ heißt.
Für die Armenier liegt die Wichtigkeit dieses Ereignisses in erster Linie nicht in seiner politischen oder militärischen Wirkung, sondern viel mehr im Scheitern des Königs Yazgert II., Armenien zum Mazdaismus zu bekehren. Als Antwort an den persischen König, der sie zwingen wollte, ihren christlichen Glauben zu leugnen, schrieben sie: „Von diesem Glauben kann uns niemand abbringen, weder Engel noch Menschen, weder Schwert noch Feuer, noch Wasser, noch irgendeine Art grausamer Folter“. In seinen letzten Worten vor der Schlacht sagte Vardan Mamikonian zu seinen Kameraden: „Der Feind nahm an, dass wir das Christentum wie ein Gewand anlegen: Nun wird ihm deutlich, das er die Hautfarbe nicht ändern kann“.
Es ist eindeutig, dass der christliche Glaube bis zum 5. Jahrhundert ein fester Bestandteil der armenischen gesellschaftlichen Strukturen geworden war.
Die Armenisch-Apostolische Kirche ist autokephal (selbstverwaltend) und gehört zu der Familie der Orientalischen Orthodoxen Kirchen an. Zu dieser Kirchenfamilie gehören die Koptisch-, die Äthiopisch-, die Eritreisch- und die Syrisch-Orthodoxe, sowie die Indisch-Malabarischen Kirchen an.
Seit 1962 ist die Armenische Kirche Mitglied des Weltkirchenrates. Sie hat Mahlgemeinschaft mit den oben erwähnten orientalischen orthodoxen Kirchen.
An der Spitze der Kirche steht der Oberste Patriarch und Katholikos aller Armenier mit dem Amtssitz in Etschmiadzin. Er wird nach dem Tod eines Amtsinhabers während der National-Kirchlichen Versammlung von Klerikern und Laien gewählt und durch zwölf Bischöfe geweiht und gesalbt. Der amtierende Oberste Patriarch und Katholikos aller Armenier heißt Garegin II., der im Jahr 1999 gewählt wurde.
Aus historischen Gründen entstanden in der Armenischen Kirche neben dem Katholikat aller Armenier auch lokale geistliche Sitze, die in ihren Verwaltungen völlig selbstständig waren und deren Häupter ebenfalls Katholikoi genannt wurden. Gegenwärtig besitz die Armenische Kirche ein solch lokales Katholikat in Libanon. Es ist das Katholikat des Hohen Hauses von Kilikien, dessen Haupt der Katholikos Aram I. ist, mit dem Amtssitz im Beiruter Stadtteil Antelias und der Jurisdiktion über die nahöstlichen Bistümer Beirut, Aleppo, Damaskus und Nicosia.
Zu den 4 hierarchischen Stühlen der armenischen Kirche gehören neben den eben erwähnten Katholikate die armenischen Patriarchate von Jerusalem seit 1311 und Konstantinopel seit 1461.
Die National-Kirchliche Versammlung unter dem Vorsitz des Katholikos ist das höchste legislative Organ der Kirche. Die weltlichen (ca. 70 %) und geistlichen (ca. 30 %) Delegierten der weltweiten armenischen Diözesen bilden dieses Gremium. Jede Diözese stellt mindestens einen Delegierten.
Der Oberste Geistliche Rat (Synode) ist das exekutive Organ der Kirche. Neben dem Katholikos, der den Vorsitz des Rates innehat, hat der Rat 16 Mitglieder, von denen sind die Hälfte Diözesanbischöfe bzw. Erzbischöfe.
Alle Bischöfe und Erzbischöfe der Kirche bilden gemeinsam die Bischofskonferenz, die sich unter dem Vorsitz des Katholikos mit den theologischen und kanonischen Fragen der Kirche beschäftigt.
Zu Anfang hatte die christliche Kirche drei hierarchische Ämter: Das Diakonat, das Priestertum und das Bischofsamt. Im Laufe der Jahrhunderte, als sich die Kirche verbreitet hatte und die Zahl der Gläubigen sich mehrte, wurde eine Verteilung der Ämter notwendig.
Demgemäß hat die Armenische Kirche neun hierarchische Ämter festgesetzt:
- Türsteher
- Lektor
- Sänger
- Ministrant
- Subdiakon
- Diakon
- Priester
- Bischof bzw. Erzbischof
- Katholikos
Die ersten vier Ämter sind die niederen Ränge und werden als Lehrministranten betrachtet. Schüler an Priesterseminaren erhalten nach vorheriger Vorbereitung diese Ämter. Ihre Aufgabe ist, bei Andachten und Messen aus den Psalmen bzw. den Episteln zu lesen sowie zu singen. Nach etwa dreijähriger Erfahrung wird vielen von ihnen erlaubt, eine Stola zu tragen, wodurch der Betreffende die Aufgaben eines Diakons ausüben darf, jedoch nur im Falle der Abwesenheit des letzteren und mit dem Einverständnis des örtlichen Bischofs.
Das Diakonat ist der sechste Rang in der hierarchischen Rangordnung der Armenischen Kirche. Es ist der wesentliche Hauptdiener an Gottes Heiligem Altar, der bei allen Riten und Messen dem Zelebranten (Priester oder Bischof) beisteht. In der Armenischen Kirche ist dem Diakon nicht gestattet, eigenständig und ohne die Anwesenheit eines Priesters Sakramente zu spenden oder den Segen zu erteilen.
In der hierarchischen Rangordnung bildet das Amt des Priestertums den siebenten Rang. In der Armenischen Kirche dienen verheiratete sowie (in Zölibat lebende Priester) zölibatäre Priester. Diese letzteren werden Abegha (Mönchpriester) genannt und tragen eine schwarze kapuzenförmige Kopfbedeckung, genannt Veghar, die die Herrschaft der Kirche in Bezug auf sie symbolisiert. Der Priester ist befugt, alle Sakramente, außer dem Sakrament der Priesterweihe, zu spenden.
Das Bischofsamt ist der achte Rang der Armenischen Kirche. Der Bischof (armenisch: Yepiskopos) ist befugt, alle sieben Sakramente der Kirche zu spenden. Das Wort selbst bedeutet Vorsteher, Aufseher, Wächter. Folglich ist er der amtliche Beauftragte der Kirche und wacht in einer bestimmten Region über die Tätigkeit der Kirchen und deren Beziehung zu den zu ihnen verbundenen Gemeinden und leitet deren Wirken. Er ist beauftragt, das Volk zu führen und wenn notwendig, sie auch zu tadeln. Er ist befugt, Ministranten, Diakone und Priester zu weihen, Kirchenbauten sowie kirchliche Gegenstände (Bilder u.ä.) einzuweihen.
Der höchste und neunte Rang der Armenischen Kirche ist das Amt des Katholikos. Er trägt auch die Titel, Höchster Patriarch, Oberster Bischof und Hochpriester.
Anders als in den anderen Orthodoxen Kirchen steht in der Armenischen Kirche der Katholikos als Oberhaupt der Kirche einen Grad höher als die Bischöfe (also nicht primus inter pares). Er wird nach dem Tod eines Amtsinhabers in der National-Kirchlichen Versammlung von Klerikern und Laien gewählt und durch zwölf Bischöfe geweiht und gesalbt. Der amtierende Katholikos aller Armenier heißt Garegin II., der im Jahr 1999 gewählt und gesalbt wurde.
In der frühen Zeit war das Bischofsamt das höchste Amt der Armenischen Kirche. Als sich die Zahl der Kirchen und Gemeinden mehrte, wurde die Wahl eines Oberhirten aus dem Kreis der Bischöfe notwendig, der die gesamte Kirche führt. So wurde das Amt des Katholikos ins Leben gerufen.
Der Katholikos ist mit der Bewahrung der wahren rechtgläubigen Lehre beauftragt. Ihm sind auch folgende Befugnisse vorbehalten: Bischöfe zu weihen, neue Diözesen zu gründen und sie durch die heilige Enzyklika bekannt zu geben, die Wahl der Primas und deren Amtsantritt zu bestätigen, würdigen Bischöfen den Titel "Erzbischof" und Priestern den Titel "Erzpriester" zu verleihen, das Myron-Salböl zu weihen, um nur einige zu nennen.
In der Armenischen Kirche dürfen diejenigen für ein Kirchenamt kandidieren, die aus einer rechtmäßigen heiligen Ehe geboren wurden, und gemäß der Lehre der Armenischen Kirche getauft und gefirmt worden sind.
Die kirchlichen niederen Ämter (Lehrämter) werden denjenigen verliehen, die religiöse Ausbildung erhalten haben, die sich zur wahren Lehre der Heiligen Dreieinigkeit bekennen und eine innere Berufung empfinden, ihre Person dem Kirchendienst zu widmen.
Für das Amt des Diakons bzw. des Priesters müssen die Kandidaten eine entsprechende religiöse Bildung erhalten haben und die Berufung spüren, dem Heilswerkes Christi zu dienen.
Aus den Reihen der zölibatären Priester (Mönchpriester, Archimandrit, Erzarchimandrit) werden die würdigen zum Bischofsamt berufen und aus dem Kreise der Bischöfe wird der Katholikos gewählt und gesalbt. Folglich um ein bestimmtes kirchliches Amt zu bekleiden, muss der Kandidat für eine gewisse Zeit im dafür vorausgegangenen Amt bereits amtiert haben. Also vor der Kandidatur als Diakon, muss der Betreffende als Ministrant gedient haben, vor dem Priesteramt als Diakon, vor dem Bischofsamt als Priester und dem höchsten Amt des Katholikos als Bischof.
In drei ihrer vier geistlichen Zentren werden die Priester der armenischen Kirche ausgebildet: in Etschmiadzin an der geistlichen Georgian-Akademie (gegründet 1869) und an dem Wasgenyan Priesterseminar auf der Halbinsel von Sewansee (gegründet 1990), in Antelias (seit 1930) und in Jerusalem (seit 1925). Im Jahre 2004 wurde der Georgian-Akademie von St. Etschmiadzin durch das Bildungsministerium der Republik Armenien den Status der Theologischen Universität verliehen.
Das armenische Patriarchat in Konstantinopel hat erst im Jahre 1953 ein Seminar für die Ausbildung seiner Priester eröffnen dürfen; jedoch musste es schon 1969 auf Anordnung der türkischen Behörden wieder geschlossen werden, so dass das Patriarchat gegenwärtig keine Ausbildungsstätte für seinen Priesternachwuchs mehr hat.
Nach der Unabhängigkeit der Republik Armenien wurde im Jahre 1995 an der Jerewaner Staatsuniversität eine Theologische Fakultät gegründet, die z Zt. etwa 150 Studenten hat.
Die Armenische Kirche glaubt und bekennt, dass der Mensch nur durch Jesus Christus erlöst werden kann.
Grundlage für die Lehre der armenischen Kirche sind das Alte und das Neue Testament, die Beschlüsse der ersten drei Ökumenischen Konzilien von Nicäa 325, von Konstantinopel 385 und von Ephesus 431 sowie die Beschlüsse der Konzilien der Armenischen Kirche.
Die Armenische Kirche lehnt die Beschlüsse des Konzils von Chalzedon (451) über zwei Naturen Christi ab. Demzufolge betrachtet die Armenische Kirche auch die weiteren Ökumenischen Konzile der Byzantinisch-Orthodoxen Kirchen (7 Konzile) bzw. der Römisch-Katholischen Kirche (23 Konzile) als nicht Ökumenisch bzw. Universal.
In Anbetracht der Ablehnung von Chalzedon hat man der Armenischen Kirche die Irrlehre des Monophysitismus vorgeworfen, eine Unterstellung, die die Armenische Kirche mit Recht zurückweist. Denn sie bekennt sich im Anschluss an die ersten drei Konzilien (Nizäa 325, Konstantinopel 381 und Ephesus 431) zu Christus, in dem sich die göttliche und die menschliche Natur vereinigt haben. Der Überzeugung der armenischen Kirche nach ist der menschgewordene Sohn Gottes „ein Wesen, eine Person, eine Hypostase, eine gottmenschliche Natur, in der aber die göttliche und die menschliche Naturen Christi untrennbar und unvermischt vereinigt wurden“. Mit dieser Formel soll nichts anderes als die unlösbare Einheit beider Naturen in Christus zum Ausdruck gebracht werden. Eine Einheit, in der keine von den beiden Naturen eine Verminderung zugeschrieben wird.
Die Armenische Kirche lehrt, dass die dritte Person der Trinität (d. h. Dreieinigkeit), der Heilige Geist, nur vom Vater hervorgeht und lehnt die Lehre der Philioquie ab, womit behauptet wird, dass der Hl. Geist sowohl vom Vater als auch vom Sohn hervorgeht. Dies war eine der Hauptgründe, die zur Kirchenspaltung vom 1054 geführt hat.
Die Armenische Kirche glaubt an die Fürsprache der Heiligen. Sie glaubt, dass Menschen, die während ihres irdischen Lebens gläubig und sündenfrei waren, ein reines und makelloses Leben geführt und ihr Leben Gott und Christus gewidmet haben oder wegen ihres unerschütterlichen Glaubens verfolgt, gefoltert wurden oder gar den Märtyrertod gestorben sind, die Würde erhalten, Heilig gesprochen zu werden. Die Kirche reiht diese Persönlichkeiten in die Reihe der Heiligen wie z. B. die Gottesgebärerin Maria, alle Apostel, Gregor der Erleuchter, Mesrop Mashdotz, Sahak Bartev, Vardan Mamikonian, Grigor Narekatzi, Nerses Schnorhali und viele andere.
Die Armenische Kirche hat einen besonderen Gottesdienst für Entschlafene, so genannte Seelenmesse (arm. Hogehangist). In diesem Gottesdienst verlässt sich die Kirche auf die Gnade Gottes und betet für die Errettung der Seelen der Entschlafenen. Natürlicherweise glaubt die armenische Kirche, dass nur im Glauben Entschlafene der Errettung würdig werden, die in ihrem irdischen Leben entsprechend der Lehren des Herrn gelebt, und auch wenn sie Fehler und Sünden begangen hatten, aber diese bereut haben. Aber oft verlassen uns auch Menschen, die zwar geglaubt haben, jedoch trotzdem unvollkommen waren. Es ist nicht die Kirche, die die Herzen der Menschen prüft, sondern Gott selbst. Daher betet sie für alle Entschlafenen.
Die Armenische Kirche kann nicht akzeptieren, dass der Papst das Oberhaupt und Leiter der gesamten christlichen Kirche ist. Die Armenische Kirche kann auch die Unfehlbarkeit des Papstes nicht akzeptieren. Sie vertritt die Meinung, dass jeder Mensch, ganz gleich welche Stellung und welchen Rang er besitzt, auf menschlich-natürlicher Weise Fehler machen und falsche Entscheidungen treffen kann.
Die Armenische Kirche kann auch die Lehre der Römisch-Katholischen Kirche über die unbefleckte Empfängnis von Maria nicht akzeptieren. Obwohl auch die Armenische Kirche die Gottesmutter als höchste Heilige der Kirche ehrt, kann sie nicht annehmen, dass Maria ohne die Erbsünde geboren wurde. Sie unterstreicht, dass Maria Mensch war und, wie jeder andere Mensch auch, mit der Erbsünde geboren wurde. Sie wurde aber von Gott der hohen Ehre würdig gefunden, Mutter des Erlösers zu sein.
Die christlichen Kirchen haben unterschiedliche Meinungen und Haltungen Bildern gegenüber. In der Kirchengeschichte führte die Bilderfrage auch zu Meinungsverschiedenheiten und Problemen zwischen den Kirchen. Aus den Meinungsverschiedenheiten sind zwei Gruppen hervorgegangen. Eine Gruppe, die Bilder in der Kirche grundsätzlich ablehnt und eine andere, die die Bilder verehren. Insbesondere die byzantinischen Kirchen waren diejenigen, die gegen die Bilderablehnende Haltung mancher Kirchen am härtesten gekämpft haben.
In diesen Kirchen ist die Bilderverehrung soweit verbreitet, dass man von „Bilderanbetung“ sprechen kann. Diese Kirchen haben besondere Bilder, die „Ikonen“ genannt werden und sie verehren diese Ikonen in besonderer Weise. Die Armenische Kirche lehnt Bilder in der Kirche keineswegs ab, ist aber nicht so streng, wie die byzantinischen Kirchen. Unsere Kirche ehrt die Bilder in der Kirche und glaubt, dass die Bilder (von Jesus Christus oder Heiligen) nur eine Hilfe zum Gebet sind. Der armenische Gläubige betet an die Dreieinigkeit oder an eine ihrer drei Personen, den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist.
Damit die Bilder, die in der Kirche angebracht werden, sich von gewöhnlichen Bildern unterscheiden, weiht die armenische Kirche diese mit dem Myronöl. Erst wenn sie gesegnet und geweiht sind, dürfen Bilder in der Kirche aufgehängt werden.
Die Armenisch-Apostolische Kirche blieb in der Vergangenheit und bleibt heute fest davon überzeugt, dass die geistliche und praktische Einheit der Kirche Christi verwirklicht wird, wenn die unterschiedlichen „Zweige“ der Kirche Christi ihre Beziehungen auf einer Grundlage der gegenseitigen Achtung und des Verständnisses der unterschiedlichen historischen Entwicklungen aufbauen. Einen Leitspruch für die Schaffung der Einheit der Kirche Christi, der auch heute gilt, gab uns der armenische Katholikos, der Hl. Nerses Schnorhali im 12. Jahrhundert, indem er im Sinne des großen Kirchenvaters Augustin sagte:
„Einheit in allem Notwendigen, Freiheit in allem Zweifelhaften, Liebe in allem“.
Im armenischen Kirchenkalender gibt es verschiedene Feste. Sie gliedern sich in fixe und bewegliche Feste. Für die letzteren ist oft das Datum des Osterfestes entscheidend. In folgenden Gruppen können wir die fixen und beweglichen Feste unterteilen: „Feste des Herrn“, diese betreffen das Leben Christi; „Feste des Kreuzes“, sie lobpreisen das Kreuz Christi und das dadurch versprochen Heil; „Feste der Kirche“, sie gedenken der Gründung und Verbreitung der Universalen sowie der Armenischen Kirche, „Gedenktage der Heiligen“, sie beziehen sich auf die Heiligen der Allgemeinen und der Armenischen Kirche, und schließlich „Fastentage“. Die Armenische Kirche hat im Jahr etwa 160 Tage für die Fastenzeit vorbehalten. Die große Fastenzeit umfasst die das Osterfest vorausgehenden 50 Tage. In der Armenischen Kirche ist während der Fastenzeit nur pflanzliche Kost erlaubt.
Die Festtage werden zuweilen auch sehr prunkvoll gefeiert. Diese werden Taghawar oder Große Feste genannt. Es sind im Jahr 5 solche Feste. In der Reihenfolge sind sie:
- Das Weihnachtsfest oder die Geburt und Taufe Christi, mit einem Wort Gottesoffenbarung Christi: 6. Januar
- Die Auferstehung Christi oder Osterfest: zwischen 23. März und 30. April (gemeinsamer Termin mit den westlichen Kirchen)
- Die Verklärung Christi: der 14. Sonntag nach dem Osterfest
- Die Marienhimmelfahrt im August: der Sonntag zwischen 12. und 18. August
- Das Kreuzerhöhungsfest im September: der Sonntag zwischen 11. und 17. September
Weitere wichtige kirchliche Feier- bzw. Gedenktage sind:
- Maria Verkündigung (Mutter- und Schönheitstag in Armenien): 7. April
- Gedenktag an die 1,5 Mill. Märtyrer des türkischen Völkermords an den Armeniern vom 1915: 24. April
- Christi Himmelfahrt: beweglich; es ist vom Osterfest abhängig
- Pfingsten (Ankunft des Heiligen Geistes): beweglich, es ist vom Osterfest abhängig
- Gedenktag an den Hl. Gregor, den 1. Katholikos der Armenischen Kirche: beweglich, es ist vom Osterfest abhängig
- Tag der Gründung der Mutterkirche Armeniens, St. Etschmiadzin: beweglich, es ist vom Osterfest abhängig
- Geburt der Hl. Jungfrau und Gottesgebärerin Maria: 08. September
- Gedenktag an die Hl. Sahak und Hl. Mesrop, Erfinder des armenischen Alphabets und Übersetzer der Heiligen Schrift ins Armenische: immer am 2. Samstag im Oktober
- Gedenktag an die Hl. Apostel und ersten Erleuchter Armeniens, Taddäus und Bartholomäus: Ende November, Anfang Dezember
Die Armenische Kirche kennt 7 Sakramente (Mysterien). Diese sind:
- Die Taufe
- Die Salbung
- Die Trauung
- Das Abendmahl (Eucharistie)
- Die Handauflegung (Priesterweihe)
- Die Buße
- Die Letzte Ölung (wird nur bei Geistlichen vorgenommen)
Die Säuglingstaufe ist allgemein üblich. Die Täuflinge werden nach der Wassertaufe mit Myronöl gesalbt und erhalten im Anschluss daran die 1. Kommunion. Es erfolgt keine Konfirmation. Die Beichte wird im Gottesdienst als allgemeine Beichte gehalten.
Im Zentrum des gottesdienstlichen Lebens der Armenischen Kirche steht die sonntägliche Feier der Hl. Liturgie. Einzelne Gebete zu besonderen Tageszeiten sind im Laufe der Entwicklung zusammengelegt worden und werden in den Morgen- und Abendgebetsstunden abgehalten.
Im Zentrum der Hl. Liturgie (armenisch "Surp Badarak"- d.h. Heiliges Opfer) steht das letzte Mahl Jesu mit seinen Jüngern. Der Liturgietext wird auf den ersten Patriarchen und Katholikos Gregor den Erleuchter zurückgeführt.
Bis zur Einführung der armenischen Schrift Anfang des 4. Jahrhunderts waren Syrisch und Griechisch als Gottesdienstsprachen in den verschiedenen Provinzen Armeniens im Gebrauch. Je nach vorhandener kultureller Einflusssphäre fanden damals deshalb die Jakobusliturgie aus Jerusalem sowie über Kappadokien die Basilius - und Chrysostomosliturgien in Armenien Eingang. Die armenische Liturgie besitzt somit ihren Platz innerhalb der großen antiochenischen Liturgiefamilie. Nach Schaffung der armenischen Schrift durch Mesrop Maschtoz im Jahre 405 war es möglich, Gebete und Hymnen in armenischer Sprache schriftlich zu fixieren; jedoch kommt die Entwicklung der armenischen Liturgie erst im 17. Jahrhundert mit der Einführung von gedruckten Liturgiebüchern zu einem vorläufigen Abschluss.
Im 13. Jahrhundert wird die lateinische Messe ins Armenische übersetzt. Es wurde der Eingangsteil der lateinischen Messe auch in die armenische Liturgie aufgenommen. Dieser wird allerdings mit dem von Khatschatur von Taron geschriebenen herrlichen Hymnus "Khorhurt Khorin" (Tiefes Mysterium) eingeleitet.
Es ist nicht falsch zu sagen, dass die in der Armenischen Kirche gegenwärtig gebräuchliche Liturgie "eine äußerst originelle Synthese" aus den alten Liturgien der großen Schwesterkirchen und aus eigener, armenischer Tradition bildet.
Die armenische Liturgie besteht aus vier Teilen:
- Vorbereitungsgottesdienst, armenisch: Badrasdutyun
- Synaxis d. h. Wortgottesdienst, armenisch: Dschaschuzham
- Opfergottesdienst, armenisch: Surp Badarak oder Zohaberum
- Segen und Entlassung, armenisch: Orhnutyun jew Arzagum